05.05.2012

 3400 sm Atlantik - Wilson Narvik

Wilson Narvik

Wir sind jetzt ganz international unterwegs: Das Frachtschiff, das uns gerettet hat, die Wilson Narvik gehört einer Norwegischen Firma, ist in Malta registriert, hat eine russische Besatzung und wurde in China gebaut. Letztere haben wir als erstes an den Betten gespürt: Die sind bretthart, obwohl das Schiff gerade einma 16 Monate alt ist. Die Besatzung sind nur 10 Leute und alle sind sehr nett, auch wenn die Verständigung schwierig ist, weil nur Kaptitän (Ivan Izmikov, Master), erster (Yuliy)und zweiter (Zakhar) Offizier, sowie der Chef-Maschinist (Oleg) mehr oder weniger gut Englisch sprechen.

Auch ziemlich dicht dran...

Wir verstauen unsere Habseligkeiten in zwei Kabinen, die man uns geben konnte, weil ursprünglich 14 Mann Besatzung vorgesehen waren und konnten es kaum erwarten, den Kapitän zu sprechen, um zu erfahren, wo denn unsere Reise hingehen würde. Noch am Morgen unserer Rettung gehen wir hinauf zum Kapitän auf die Brücke, weil uns das natürlich brennend interessiert: Wir haben ein weiteres Mal Glück im Unglück, weil der nächste Hafen Algerciras in Spanien (gegenüber von Gibraltar) ist, ganz nahe unserem ursprünglichen Zielhafen, Sevilla. Die Fahrtzeit bis dorthin soll etwa sieben Tage betragen, so dass wir schon am 07.05.2012 dort ankommen sollen.

Noch am ersten Tag erhalten wir ganz vorbildlich eine Sicherheitseinweisung bis hin wie man das Freifall-Rettungsboot anwirft und ausklinkt. Ansonsten ist mit uns nicht viel anzufangen und wir verdösen den Tag (01.05.2012)

Notsteuerung von Hand

Am folgenden Tag (02.05.2012) ist immernoch nicht viel mit uns anzufangen. Wir fragen uns immernoch, wie das alles so passieren konnte und kommen zu der Überzeugung, dass wir auf irgendetwas Großes aufgefahren sein müssen.

Dafür müssen wir uns doch schon sehr über die Zeitschrift Yacht wundern: Wir haben noch fast nasse Füsse von unserer Rettung, da ruft ein Herr Schürmann von der Yacht-Redaktion schon bei uns auf der Wilson Narvik an, um die Neuigkeit auszuschlachten! Ich frage mich auch, ob es Aufgabe des MRCC Bremen ist, durch irgendwelche Veröffentlichungen von Seeunfällen der Klatschpresse zeitnah Material zu liefern. Jedenfalls haben wir uns doch sehr über dieses naß-forsche Vorgehen geärgert - zumal Martin vorher jahrelang versucht hatte, einen Artikel bei der Yacht über sein Projekt unterzubringen. Ganz und gar die Galle kam uns zwei Tage später hoch, als wir erfuhren, dass man sich bei der Yacht nicht geniert hatte, bei der Ansprechpartnerin in Deutschland, Bilder von blu:kat und Martin herauszuleiern, um das ganze als Story auf dem Internet zu veröffentlichen. Auf die Bedenken der Ansprechpartnerin in Deutschland, dass sie nicht einfach irgendwelche Fotos herausgeben könne, beschied man ihr, dass man mit Martin telefoniert habe. Das mit dem Telefonieren stimmte zwar, aber über die Veröffentlichung von irgendwelchen Fotos war in dem ganzen Gespäch nicht die Rede gewesen. Ich stand bei dem Telefonat direkt daneben und habe mitgehört. Mit Verlaub, Herr Schürmann, oder wer da bei ihnen noch daran beteiligt war, aber was die Yacht-Redaktion da betreibt ist Pressearbeit auf Bildzeitungsdniveau - Sensation, Sensation, ich komme schon ... Jedenfalls ist damit die Yacht für mich nicht mehr als seriöse Seglerzeitschrift einzustufen. Ich hoffe, dass das möglichst viele Leser meiner Seite auch so sehen und ihr Abo - falls vorhanden - kündigen. Solchen Journalismus sollte man nicht unterstützen.

Abandon Ship - alle Mann angetreten

Die Wilson Narvik is mit ihren 123,10m Länge und 16,5m Breite ein eher kleines Schiff. Bei einem Leergewicht von 2966t hat sie eine maximale Zuladung von 8354t. Sie hat Wasserdichte Luken, so dass sie von Mehl bis Edelstahlschrott so ziemlich alles transportieren kann, wass in ihre 9422m³ großen Laderäume passt.

Am nächsten Abend (03.05.2012) gibt es eine große Grillparty mit leckeren Fleischspießen und so allmählich läßt uns der Schock los. Die Besatzung ist wirklich sehr freundlich und zuvorkommend. So plätschern die Tage vor sich hin.

Land in Sicht!. O.K. Ländchen...
Wir passieren die Azoren in ca. 16 sm Abstand. Aber das reicht für etwa eine Stunde Handyverbindung, was alle an Bord leidlich nutzen. Dann sind wir auch schon vorbei und haben nichts als Meer und Dieselbrummen, das einen auf dem Schiff nie verläßt, es sei denn man befindet sich am Bug des Schiffes. Natürlich bekommen wir in der Zwischenzeit eine ausführliche Führung durch das ganze Schiff, immer von Oleg, dem Chef-Schiffsingenieur physisch und durch Erklärungen begleitet.

Abandon ship - Diesel läuft

Durchsage: Abandon Ship! Es ist zum Glück nur eine Übung, bei der auch wir mitmachen. Alle bis auf den Kapitän steigen bis ins Rettungsboot. So ein schönes Freifall-Rettungsboot wird zwar keiner an Bord haben, aber eine Nummer kleiner (Rettungsinsel) tut's ja auch. Vorher haben wir alle die Schwimmwesten angelegt und uns davor gesammelt. Die Mannschaft hat symolische Kartons für Wasser, Nahrung und Kommunikationsmittel mitgebracht. Ich gebe ehrlich zu, dass ich das früher immer für Spielerei gehalten habe - jetzt sehe ich das verständlicherweise etwas anders. Hätten wir an Bord der blu:kat eine erprobte Rettungsprozedur gehabt, hätten wir sicher noch ein paar mehr Dinge - vielleicht sogar das Schiff??? - retten können. Es lohnt sich sicher auch für den Yachtie, sich mal etwas Zeit zunehmen und darüber nachzudenken:
Was wäre, wenn?

Alle ins Rettungsboot

Im Rettungsboot

Steuermann im Rettungsboot